Zwergscharbe auf dem Murtensee

Aussergewöhnliche Beobachtung am Inkwilersee

23.08.2021

Am Montagmorgen, 23. August 2021, stand ich beim Biber-Bänkli am Nordufer des Inkwilersees und suchte auf der gegenüberliegenden, grossen Insel nach irgend-welchen Vogelarten. Ich bemerkte nicht, dass in den Teichrosen vor mir etwas auf mich zu schwamm. Das Etwas versuchte vermutlich im Teichrosenwurzelwirrwarr das nahe Ufer, an dem ich mich mit dem Fernrohr installiert hatte, zu erreichen. Als es vor mir auftauchte, erschrak der grosse Wasservogel ob mir sehr, machte kehrt und rannte halb fliegend über den Teichrosenteppich zur Insel zurück. Dort hüpfte er auf die umgestürzte, dürre Fichte und breitete seine Flügel zum Trocknen aus.

Schon auf dem Rückflug kam mir die Gestalt bekannt vor. Als der Vogel mir dann seine Flügel zeigte, war mir klar, dass ich eine Zwergscharbe (Microcarbo pygmeus) vor mir hatte. Ich konnte sie leider nicht lange bewundern, denn nach einer kurzen Zeit erhob sie sich und flog links um die Insel. Als sie dann aber auf der rechten Inselseite nicht zum Vorschein kam, rannte ich mit dem Fernrohr rechts um den See, um dann vom Südufer her die Südseite der Insel einsehen zu können. Tatsächlich und zu meiner grossen Freude, entdeckte ich die Zwergscharbe wiederum auf einem abgestorbenen Baum inmitten von dort ruhenden Stockenten.

Belegfoto Zwergscharbe am Inkwilersee
Belegfoto Zwergscharbe am Inkwilersee © Hanspeter Aeschlimann 

Da es sich bei dieser Beobachtung um eine in der Schweiz äusserst seltene handelt, die der Avifaunistischen Kommission der Vogelwarte Sempach mittels eines Beobachtungsprotokolls übermittelt werden muss, machte ich mich sofort daran, eine Belegaufnahme durch mein Fernrohr zu knipsen. Auf die grosse Distanz zur Insel ist ein gutes Foto durch das Spektiv jedoch kaum zu realisieren. Zum Glück hatte die Zwergscharbe mit mir die notwendige Nachsicht und verhielt sich Minutenlang still. Dadurch gelang es mir, eine Aufnahme zu machen und der Kommission eine einigermassen brauchbare Belegaufnahme zuzustellen. Erstmals wurde die Zwergscharbe am 19. August am Klingnauer Stausee gesichtet und letztmals konnte sie am 24. August in Yverdon-les-Bains nachgewiesen werden. Während dieser Zeit wurde sie auch noch am Hagneckdelta, in Kaiseraugst, Bellerive und Cheseaux gesehen. Vor und nach der oben erwähnten Zeitspanne konnte sie in der Schweiz nicht resp. nicht mehr beobachtet werden. 

Steckbrief

Die Zwergscharbe gehört zur Familie der Kormorane und ist ein sehr seltener Gast in Mitteleuropa. Das Brutareal erstreckt sich von Südeuropa, über die Krim nach Kleinasien und dem Irak bis hin zum Aralsee. Sie bevorzugt als Habitat Binnengewässer mit dichter Ufervegetation. Dazu zählen Seen, Sümpfe, alte Flussarme und Steppenseen. Ausserhalb der Brutzeit ist die Zwergscharbe an Küsten und an Brackwasser zu finden. Im Grössenvergleich ist die Zwergscharbe nahezu so gross wie eine Stockente. Der Hals ist kürzer als beim Kormoran und der Kopf rundlicher. Der Schnabel ist kurz und dick. Der Schwanz hingegen ist jedoch etwas länger als beim Kormoran. Die Nahrung der Zwergscharbe besteht hauptsächlich aus Fisch - alternativ werden auch Wirbellose erbeutet.

Bericht: Hanspeter Aeschlimann