Text und Bilder: Thomas Schwaller
Leiter Natur und Landschaft im Amt für Raumplanung des Kanton Solothurn
Die Libellen gehören zu den auffälligsten und prächtigsten Insekten unserer Heimat. Sie sind für den Menschen völlig harmlos und können nicht stechen!
Der Inkwilersee ist ein wahrer Hotspot für Libellenfreunde: In der Uferzone des Sees lebt fast die Hälfte aller bislang in der Schweiz nachgewiesener Arten! Mit bislang 38 festgestellten Arten ist der Inkwilersee zusammen mit dem Burgäschisee noch immer eines der libellenreichsten Gewässer des Schweizer Mittelandes. Was sind die Gründe hierfür? Zum einen ist der See seit 25 Jahren sehr gut erforscht, zum anderen bieten die gut besonnten Röhrichte mit vorgelagerter Flachwasserzone und grosser Schwimmblattflur, vor allem am sonnenexponierten Nordufer des Sees, gute Lebensräume sowohl für die im Wasser lebenden Larven als auch für die geflügelten Insekten.
© Thomas Schwaller
Braune Mosaikjungfer
Die ersten Libellenarten treffen wir im Frühjahr bereits gegen Ende April am See an: Es sind die kleinen blauen Azurjungfern, die bei sonnigem Wetter wie dünne Stäbchen am Ufer vor dem Beobachter herfliegen. Meist handelt es sich um Hufeisen- oder seltener auch um Fledermaus-Azurjungfern, die nur der Spezialist voneinander unterscheiden kann. Wer Glück hat, entdeckt auf schwimmendem Altschilf um diese Zeit sogar eierablegende Winterlibellenpärchen. Wie der Name verrät, überwintert diese Libelle als einzige Art dank eines Frostschutzes in ihrer Blutflüssigkeit! Anfang Mai schlüpfen am See die ersten Grosslibellen. Zahlreich sind die Gemeinen Smaragdlibellen, aber auch sehr viele Spitzenflecke und Keilflecklibellen können am Ufer entdeckt werden. Der Seeforscher von Büren beobachtete den Spitzenfleck bereits 1951 am See. Sonst verfügen wir leider nur über sehr spärliche wissenschaftliche Angaben über die Libellenfauna jener Zeit. Im Juni und Juli sind zuerst der Vierfleck und dann der Grosse Blaupfeil überall am See anzutreffen. Die Männchen dieser Arten besetzen am Schilfrand eine Zeitlang Reviere, die sie gegen männliche Artgenossen erbittert verteidigen. Hier erwarten sie auch die plötzlich eintreffenden Weibchen, die meist blitzschnell im Flug ergriffen werden. Gleich nach der Paarung erfolgt die Eiablage, wobei das Männchen das Weibchen beschützt, um sicher zu sein, dass nur mit eigenem Erbgut befruchtete Eier abgelegt werden.
Im Spätsommer sind die hoch über der Schwimmblattzone patrouillierenden Grossen Königslibellen besonders augenfällig. Sie heissen auf lateinisch treffend Anax imperator und gehören mit einer Flügelspannweite von fast 12 cm zu den grössten einheimischen Insekten. Seit etwa 20 Jahren hat sich am See die knallrote Feuerlibelle angesiedelt. Sie war ursprünglich nur im Mittelmeerraum heimisch. Mit der Klimaerwärmung konnte sie ihr Verbreitungsareal nach Mitteleuropa ausdehnen. Jedes Jahr kann sie mit einem Feldstecher auch über dem Teichrosenteppich in grosser Zahl beobachtet werden. Zusammen mit der Braunen Mosaikjungfer läuten die verschiedenen roten Heidelibellenarten den Spätsommer am See ein. Am Weiher im Moos sind diese besonders schön zu beobachten. Die Sumpfwiesen um den Weiher sind ihr bevorzugter Lebensraum. Erstmals konnte ich letzten September hier die Sumpf-Heidelibelle feststellen. Ihre nächsten bekannten Fundorte liegen im Aargauischen Reusstal.
Nicht nur die Heidelibellen sondern auch viele weitere Libellenarten könnten durch die Neuschaffung von im Sommerhalbjahr periodisch überfluteten, flachen Mulden und Sumpfwiesen um den See herum profitieren. Solche Lebensräume mussten während der letzten Melioration von 1959 bis 1965, verbunden mit einer Seeabsenkung leider grossflächig weichen. Der See wurde im übrigen bereits früher, 1818/1819 um gut zwei Meter und 1891/92 um einen Meter abgesenkt! Eine zeitweilige Wiedervernässung des Seeumlandes bei einer kontrollierten, massvollen Seespiegelanhebung beim Seeausfluss wäre die aus naturschützerischer Sicht effizienteste Fördermassnahme für unsere Libellen, aber auch für viele andere gefährdete Tierarten am Inkwilersee.
© Thomas Schwaller
Feuerlibelle
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Sumpf-Heidelibelle
© Thomas Schwaller
Vernässte Riedwiese im Moos